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Geschichte des AMG

Der folgende Beitrag stammt aus einem Schülerprojekt "Schulgeschichte" und beleuchtet die noch kurze Historie unserer jungen Schule.


Albert Martmöller - vom Bergarbeiter zum Politiker

Albert Martmöller wurde am 21.12.1876 in Witten-Annen geboren. Als das zweite von sechs Kindern eines Bergmanns und Kötters wuchs er in sehr bescheidenen Verhältnissen auf. Der Lohn eines Bergmanns war vor hundert Jahren noch ausgesprochen niedrig - 2,66 Mark für eine neunstündige Schicht. Auch der nach einem harten und langen Arbeitstag auf der Zeche im Nebenberuf bewirtschaftete Kotten warf nicht viel ab; er diente bestenfalls zu einer bescheidenen Selbstversorgung.

Für die Eltern war es nicht leicht, ihre große Familie zu ernähren und zu kleiden. Trotzdem verlebte Albert Martmöller auf dem kleinen bäuerlichen Anwesen am Annener Berg eine glückliche Jugend. Er war ein echter "Annener Junge". Nachdem er die Volks- und Mittelschule durchlaufen hatte, ergriff er, wie es damals noch üblich und selbstverständlich war, den Beruf des Vaters. Er wurde Bergmann auf der Zeche Ringeltaube.

Aber schon bald zwang ihn ein Betriebsunfall, den Bergmannsberuf aufzugeben. Die bei dem Unfall erlittene Bein- und Fußverletzung heilte nicht wieder ganz aus; so mußte er zunächst eine körperlich weniger anstrengende Arbeit suchen. Er erlernte das Schuhmacherhandwerk (1892 - 1895). Nach Beendigung der Lehre trieb es den jungen Schuhmachergesellen in die weite Welt hinaus. Er wollte seinen Blick weiten und die Eigenarten anderer Völker kennenlernen. Nach altem Zunftbrauch durchwanderte er Deutschland, Italien und die Schweiz. In Basel wurde er schließlich für einige Jahre seßhaft, nachdem er dort seine spätere Frau kennengelernt hatte, die aus dem Elsaß stammte und ihm Zeit seines Lebens eine treue Begleiterin blieb.

Als aufgeschlossener und geistig interessierter junger Mann fühlte er sich in der Schweiz, die schon damals von einem liberalen Geist geprägt war, ausgesprochen wohl. In Basel konnte er seinen Hunger nach Bildung stillen. Er ergriff mit Begeisterung die Möglichkeit, an der Universität als Gasthörer Vorlesungen zu besuchen. Auch bei den Vorträgen, die von den damaligen Arbeiterbildungsvereinen angeboten wurden, war er ein ständiger und aufmerksamer Zuhörer. Die so gewonnenen Eindrücke vertiefte er durch intensive eigene Lektüre sozialpolitischer Werke. Wie erzählt wird, soll er die Bücher in einfachen Dachkammern, Handwerkerherbergen und oft sogar unter freiem Himmel geradezu verschlungen haben.

In der Schweiz bekam der junge Albert Martmöller die Anregungen, die sein späteres Leben und seinen beruflichen Werdegang bestimmen sollten. Hier wurde seine Sehnsucht nach einer besseren Gesellschaftsordnung geweckt, die zu einer entscheidenden Triebfeder seines Handelns wurde und ihn bis ins hohe Alter nicht mehr losließ; hier erwarb er sich Weitblick und sachliche Überlegenheit. 1896 wurde er Gewerkschaftsmitglied im Bergarbeiterverband, 1904 trat er in Mannheim in die SPD ein. In ihr fand er seine politische und geistige Heimat.

1907 kehrte Albert Martmöller mit seiner Familie zum Annener Berg zurück. Trotz der nicht ausgeheilten Gehbehinderung nahm er seine alte Tätigkeit als Bergmann wieder auf. Als Hauer arbeitete er bis 1918 auf verschiedenen Schachtanlagen. Im Bergarbeiterverband merkte man sehr schnell, daß man mit ihm ein sachkundiges und engagiertes Mitglied gewonnen hatte. Er wurde wegen seines Wissens, seines Könnens und seiner Erfahrung als kompetenter Ratgeber geschätzt, auf den man bald nicht mehr verzichten wollte. Man bot ihm die Stelle eines Gewerkschaftsangestellten an und schickte ihn als hauptamtlichen Bezirksleiter zuerst nach Siegen und dann nach Lünen. 1919 wurde er in den Hauptvorstand der Gewerkschaft nach Bochum berufen. Ab Juni 1929 gehörte Albert Martmöller dem Vorläufigen Reichswirtschaftsrat an. In all diesen Gremien hat er engagiert am Aufbau und an der Festigung der jungen Weimarer Republik mitgewirkt. Bis 1933 war er in der Bochumer Geschäftsstelle als engster Mitarbeiter des Gewerkschaftsführers Fritz Husemann tätig. Fritz Husemann und der ebenfalls dort tätige August Schmidt wurden seine besten Freunde.

Als im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung die Gewerkschaften aufgelöst wurden, wurde auch Albert Martmöller verhaftet; mit den anderen Vorstandsmitgliedern wurde er in das Polizeigefängnis von Bochum eingeliefert und in Schutzhaft genommen. Alle Verhafteten standen unter dem Verdacht, "Geheimbündelei" betrieben zu haben. Das bittere Schicksal seines Freundes Fritz Husemann, der 1935 nach seiner dritten Verhaftung ins KZ Papenburg/Esterwegen eingeliefert und dort bei einem angeblichen Fluchtversuch erschossen wurde, blieb ihm erspart; nicht aber die vielen Demütigungen, denen er bei seinen wiederholten Verhaftungen und Verhören durch die Gestapo ausgesetzt war. Nachdem er alle seine Ämter verloren hatte, konnte er politisch und gewerkschaftlich nicht mehr aktiv tätig sein. So mußte er sich bis zum Ende des Dritten Reiches mit einer kleinen Knappschaftsrente und dem geringen Einkommen eines Vertreters (für Brühwürfel) durchschlagen. Für ehemalige Gewerkschaftsfunktionäre gab es auf normalem Wege keine Arbeit mehr. Im Kreis gleichgesinnter Freunde wurden aber in dieser schweren Zeit des nationalsozialistischen Terrors bereits Aufbaupläne für die Zukunft geschmiedet.

Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 trat Albert Martmöller als Kommunalpolitiker an die Öffentlichkeit. In der Gewerkschaft und in der SPD hatte man Albert Martmöller in den Jahren der Hitler-Diktatur nicht vergessen. Beim Neuaufbau einer demokratischen Gemeindeordnung brauchte man tüchtige Helfer. Albert Martmöller drängte sich nicht auf; als man ihn aber rief, stellte er sich ohne Zögern zur Verfügung. Obwohl er inzwischen schon fast 70 Jahre alt war, nahm er die neue Herausforderung an und wurde zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten im kommunalpolitischen Leben der Nachkriegszeit.

Am 12.6.1945 wurde Albert Martmöller in den von der Militärregierung genehmigten Bürgerausschuß und später in den Stadtrat berufen. Am 14.2.1946 erfolgte seine Ernennung zum Oberbürgermeister. Am 25.10.1946 konnte zum erstenmal wieder ein aus freien Wahlen hervorgegangenes Stadtparlament tagen. In der feierlichen Eröffnungssitzung wurde Albert Martmöller zum Oberbürgermeister gewählt. Er ist somit der erste frei gewählte Wittener Oberbürgermeister nach dem Ende der NS-Diktatur. Die Wahl erfolgte einstimmig: seine Toleranz, seine Sachkenntnis und sein Eintreten für soziale Gerechtigkeit hatten bei allen Parteien Anerkennung gefunden. Dieses Amt übte er -von einer kurzfristigen Unterbrechung abgesehen- bis zu seinem Tode aus. Sein Hauptanliegen war der Wiederaufbau seiner schwer zerstörten Heimatstadt. Seiner Energie und seinem Engagement ist es zu verdanken, daß die Schäden des Krieges in zäher Arbeit zügig beseitigt werden konnten. Man brauchte seinen Rat und sein Engagement aber auch noch an vielen anderen Stellen. Erwähnt seien hier nur seine Tätigkeit als Landtagsabgeordneter und als Direktor im Dezernat für Lohn- und Tariffragen im Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Bergbau. In der 'Deutschen Kohlenbergbauleitung' gehörte er ebenfalls dem Direktorium an.

Albert Martmöllers Leben ging am 27.12.1953 zu Ende. Von den Folgen eines Schlaganfalls, den er eine Woche zuvor nach einem anstrengenden und mit Sitzungen bis zum Abend ausgefüllten Tag erlitten hatte, konnte er sich nicht mehr erholen. Er beschloß sein Leben in demselben Haus, in dem er 77 Jahre zuvor das Licht der Welt erblickt hatte. Unter großer Beteiligung der Bevölkerung wurde er am 5.1.1954 auf dem Friedhof in Annen beigesetzt.

"Albert Martmöller war ein großer Sozialist und wahrer Demokrat, er war ein Mann, der schlicht und einfach sein Leben den Mitmenschen gewidmet hat". Diese Worte aus den Traueransprachen sind kennzeichnend für seine Lebenseinstellung und politische Tätigkeit. Seine politischen Freunde verloren in ihm einen vorbildlichen Mitkämpfer, der weniger durch blendende Beredsamkeit als durch selbstlose Hingabe an die Sache zu überzeugen wußte. Sachlichkeit war seine Stärke. Sie lobten seine Herzensbildung und die menschliche Wärme, die von ihm ausging. Auch vom politischen Gegner wurde Albert Martmöller, dem bestätigt wird, "nie Feinde gehabt zu haben", wegen seiner Toleranz und Gerechtigkeitsliebe geschätzt und anerkannt. Junge Gewerkschafter, die Rat und Auskunft brauchten, fanden bei ihm ein offenes Ohr, jungen Ratsmitgliedern aller Fraktionen war er "ein väterlicher Freund".

Für das Projekt "Schulgeschichte":
Reinhold Bechtel, Wilfried Hilleringhaus

Das Lebensbild Albert Martmöllers wurde aus Nachrufen und Traueranzeigen erarbeitet, die uns vom Stadtarchiv, vom Märkischen Museum und von Herrn G.Martmöller freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden. Wichtige Hinweise verdanken wir ebenfalls Herrn G.Martmöller, aber auch Herrn G.Kilimann und Herrn H.U.Hake. Die Informationen über die Vorgänge bei der Auflösung der Gewerkschaft im Jahre 1933 fanden wir in dem Buch von August Schmitt "Lang war der Weg", Bochum 1958.

Einen korrigierenden Hinweis erhielten wir im Mai 2005 von Herrn Joachim Lilla aus Krefeld. Vielen Dank!