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Geschichte des AMG

Der folgende Beitrag stammt aus einem Schülerprojekt "Schulgeschichte" und beleuchtet die noch kurze Historie unserer jungen Schule.


Schulraumnot - ein altes, ein Dauerthema oder: Wie entsteht ein Gymnasium?

Im Jahre 1964 kam von den beiden damals bestehenden Wittener Gymnasien (heute Ruhrgymnasium und Schillergymnasium) der Hilferuf an die Verwaltung der Stadt, einen Plan für die Beseitigung des Klassenraummangels und eine endgültige Konsolidierung der Oberschulverhältnisse zu entwickeln. Zu diesem Zeitpunkt wurde erstmalig von der Errichtung eines dritten Gymnasiums in Witten gesprochen. Als Standorte wurden alternativ Heven oder Annen angegeben. Eine Untersuchung ergab dann Ende 1964, daß der größere Anteil der Schüler aus dem Bereich Annen / Stockum / Rüdinghausen kam (200:131 Annen:Bommern/Heven).

Damit war die Entscheidung, Annen als Standort eines dritten Gymnasiums zu bestimmen, gefallen. Zur gleichen Zeit mußte aber auch Raum für die zweite Realschule (Städt. Realschule Annen) geschaffen werden, die damals in den Räumen der alten Holzkampschule untergebracht war. Auch diese sollte im Raum Annen errichtet werden, um den östlichen Teil Wittens schulisch besser versorgen zu können und eine Entlastung der öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen. Am 18.3.1965 erteilte der Schulausschuß der Verwaltung den Auftrag, die Erstellung zweier Schulgebäude im Raum Annen voranzutreiben.

Bereits Mitte Mai 1965 waren die Pläne so weit fortgeschritten, daß der Schulausschuß der Verwaltung vorschlagen konnte, die zweite Realschule auf einem Gelände an der Wullenstraße und das dritte Gymnasium auf dem städtischen Grundstück in der Nähe des Bahnhofs Annen-Nord zu errichten. Das Gymnasium war so konzipiert, daß es zweizügig als mathematisch-naturwissenschaftliches und neusprachliches Gymnasium eingerichtet werden sollte. Es waren im ersten Bauabschnitt 18 Klassen und die notwendigen Fach- und Verwaltungsräume eingeplant. In einem zweiten Bauabschnitt sollten dann sechs weitere Klassen, zwei Fachräume und eine Turnhalle dazukommen. Am 4.10.1965 fand eine Begehung des in Aussicht genommenen Baugrundstücks durch Vertreter der Stadt Witten und des Schulkollegiums Münster statt. Das Grundstück wurde als geeignet für den Bau eines Gymnasiums befunden. Schon zwei Tage später stimmte dann der Kollegium akzeptierte den Plan mit geringen Änderungen im Raumprogramm. Nun sollte es losgehen! Pläne wurden erstellt, Kostenberechnungen durchgeführt und Angebote eingeholt. Der 1.6.1966 war als Baubeginn vorgesehen. Ja, man hatte auch schon einen Namen vorgeschlagen: Städt. Gymnasium Annen für Jungen und Mädchen, mathematisch-naturwissenschaftliche Form mit neusprachlichem Zweig, Witten-Annen, Märkische Straße ...

Was ist nun aus den schönen Plänen geworden?
Bereits während des Genehmigungsverfahrens zeichnete sich ab, daß die zuständigen Behörden die Zuschüsse des Landes für das Jahr 1966 für beide Schul-Neubaumaßnahmen nicht zahlen konnten. Andererseits war aber die Stadt nicht in der Lage, die notwendigen Mittel alleine zu finanzieren. Am 22.6.1966 gab der Haupt- und Finanzausschuß dem Rat die Empfehlung, die Entscheidung über die Vergabe der Baumaßnahme bis zur endgültigen Klärung der Finanzierung zurückzustellen, zumal in der Zwischenzeit festgestellt worden war, daß Landesmittel frühestens 1967 (evtl.) zur Verfügung stehen würden. Damit war der Gymnasiums-Neubau in Annen gestorben. Die Realschule wurde gebaut, da die notwendigen Mittel durch Eigenfinanzierung der Stadt und Landeszuschüsse aufgebracht werden konnten.

Wie sollte es nun weitergehen?
Aufgrund der prognostizierten Übergangszahlen zu den beiden Gymnasien bestand das Schulkollegium Münster auf der Einrichtung des dritten Gymnasiums zum 1.12.1966 (Beginn des zweiten Kurzschuljahres), selbst wenn die Schüler an den beiden Gymnasien belassen werden und im Wechsel Schichtunterricht (!) mit den beiden Gymnasien machen müßten. Wieder waren Rat und Verwaltung gefragt. In einem Vorschlag der Verwaltung vom 8.9.1966 findet man unter Vorschlag Nr.2: "Das Gymnasium wird zum 1.12.1966 errichtet mit insgesamt 10 Klassen, Unterbringung in der Sonnenscheinschule!" und unter Vorschlag Nr.4: "Das dritte Gymnasium wird zum 1.12.1966 mit 8 Klassen, Unterbringung Brenschenschule Bommern ..." Am interessantesten ist jedoch Vorschlag Nr.5: "... Am 1.8.1967 wird das dritte Gymnasium mit insgesamt 12 Klassen gebildet. Die Klassen bleiben bis zum 31.12.1967 an der Schillerschule bzw. Jungengymnasium. Das dritte Gymnasium erhält schon zum 1.8.1967 ein eigenes Kollegium und einen eigenen Schulleiter. Am 1.1.1968 zieht das dritte Gymnasium in das fertiggestellte Gebäude der zweiten Realschule." Siehe da - doch das dritte Gymnasium nach Annen? Ein modifizierter Plan scheint dem Recht zu geben. Der Schulausschuß empfiehlt dem Rat am 28.10.1966: Das dritte Gymnasium nimmt am 1.12.1966 den Unterricht in der Brenschenschule auf. Vom 1.1.1968 bis zur Fertigstellung eines eigenen Schulgebäudes soll der Unterricht in der bis dahin fertigzustellenden zweiten Realschule stattfinden."

Aber es kam doch anders. Nach Rücksprache mit dem Schulkollegium wurde dann beschlossen (da u.a. auch die Personalnot eine Rolle spielte), den Unterricht am dritten Gymnasium erst am 1.8.1967 aufzunehmen. Übergangsklassen sollten an den beiden bestehenden Gymnasien gebildet werden. Der Termin war also klar! Aber wohin?

Zum ersten mal wird in einer Sitzungsvorlage vom 10.3.1967 von einem frei werdenden Volksschulgebäude durch Neugliederung der innerstädtischen Gemeinschaftsschulbezirke gesprochen. Am 10.5.1967 findet sich dann in der Niederschrift der Schulausschußsitzung die Entscheidung über die Auflösung der Albert-Martmöller-Volksschule zum 1.8.1967. Am 17.5.1967 beauftragt der Schulausschuß die Verwaltung, zu prüfen, ob das Gebäude und das dazugehörende Grundstück für die Unterbringung des dritten Gymnasiums geeignet sei. Bereits 14 Tage später beschließt der Haupt- und Finanzausschuß, dem Rat zu empfehlen, das dritte Gymnasium in den Räumen der Albert-Martmöller-Schule unterzubringen. Gleichzeitig wird das Hochbauamt beauftragt, die Möglichkeit, ein zwei oder dreizügiges Schulgebäude unter Einbeziehung der vorhandenen Bausubstanz auf dem vorhandenen Grundstück zu bauen, zu überprüfen.

Der Anfang war also gemacht. Zeit und Ort des Neubeginns standen fest. Es konnte am 1.8.1967 (bzw. nach den Sommerferien am 7.9.1967) losgehen. Auch die Schulbehörde gab ihre Einwilligung und erklärte ihre Bereitschaft, zügig eine Möglichkeit zum vollen Ausbau zu unterstützen.

Die Albert-Martmöller-Schule war 1957/58 erbaut worden. Neben 9 Klassenräumen (drei davon mit Gruppenräumen) im Haupttrakt waren drei weitere große Sonderräume (Küche, naturwissenschaftlicher Raum), eine Aula, Lehrerzimmer, Gymnastikraum, Verwaltung und Hausmeisterwohnung entstanden.
In diesen Räumen - einige kleinere Veränderungen waren in den Sommerferien vorgenommen worden - begann der Unterricht des dritten Städt. Gymnasiums i.E. am 7.9.1967 mit 292 Schülerinnen und Schülern in 8 Klassen. Das erste Koedukationsgymnasium in Witten war etabliert. Wie aber sollte es weitergehen?

Die Prognose über die Übergangszahlen zu den Gymnasien (Frühjahr 1967) ließ nichts Gutes erwarten. In zwei Jahren wäre wieder alles übervoll, die Raumnot ... - s.o. ! Also Neubau in Annen oder Erweiterung auf dem vorhandenen Grundstück! Am 30.5.1967 hatte das Hochbauamt den Auftrag bekommen, Pläne zur Erweiterung auszuarbeiten. So war es möglich, am 15.7.1967 einen ersten Plan zur Erweiterung vorzulegen, der in seiner Grundkonzeption mit dem dann in den folgenden Jahren realisierten Ausbau nahezu identisch war. Im Oktober 1967 wurde dieser Vorentwurf mit einigen Veränderungen im Bauausschuß vorgelegt. Am 12.2.1968 waren die Pläne endgültig fertig und wurden den zuständigen Ämtern vorgelegt. Schon am 20.6.1968 war Baubeginn des Erweiterungsbaus (Hauptbau und Anschluß an den vorhandenen Altbau) und bereits am 15.11.1968 konnten benutzt werden. Die weiteren Arbeiten am Innenausbau - vor allem aber bei den naturwissenschaftlichen Räumen - zogen sich fast über das ganze Schuljahr 1969/70 hin, sodaß erst gegen Mitte 1970 der gesamte Hauptbau übernommen werden konnte. Am 9.12.1970 erfolgte behördlicherseits die Schlußabnahme. Die während der Bauphase verursachten Störungen und Einschränkungen waren vergessen, die neuen Räume wurden voll genutzt und füllten sich mit Leben. Alle - Schüler, Eltern und Lehrer - waren voll zufrieden.
Im Jahre 1971 wurde dann noch der Turnhallentrakt an der Winkelstraße gebaut, um die bis dahin ungünstige Situation im Sportunterricht zu beheben. Dieser Trakt enthielt neben einer Turnhalle und einer Gymnastikhalle auch noch einen Werkraum, der eine wesentliche räumliche Verbesserung im künstlerischen Bereich brachte. Endlich Raum genug!

Wer nun geglaubt hatte, daß jetzt die Raumsituation für längere Zeit für alle zufriedenstellend gelöst worden sei, sah sich bald eines besseren belehrt. Die Schülerzahlen stiegen kontinuierlich an. Schon im Schuljahr 1969/70 waren die Übergangszahlen von den Grundschulen so hoch, daß an allen drei Wittener Gymnasien jeweils drei Sexten (Klassen 5) gebildet werden mußten. Da zu dieser Zeit das AMG das einzige Koedukationsgymnasium war, waren die Anmeldungen hier besonders hoch. (Das führte zu der Überlegung bei Rat und Verwaltung der Stadt, an den anderen Schulen die Koedukation möglichst schnell einzuführen - geschehen 1971/72). Bereits im Schuljahr 1972/73 zeichnete sich erneut Raummangel ab. Auch das Aufstellen zweier Pavillonklassen 1974 und die Benutzung von Klassenräumen in der Gerichtsschule brachte nur kurzfristig Erleichterung. So wurden bereits Ende 1974 Pläne für einen Erweiterungsbau vorgelegt. Anfang Januar 1975 schlug der Bauausschuß dem Rat der Stadt Witten vor, auf dem an die Oberstraße angrenzenden Gelände einen Neubau mit 10 Klassen und zwei Fachunterrichtsräumen zu errichten. Nach ihrer Fertigstellung 1977 schien die Raumnot behoben, zumal man zu Beginn des Schuljahres 1976/77 zwei Klassen an das neu gebildete Hardensteingymnasium abgegeben hatte.
Aber es schien nur so! Man hatte wieder einmal die Rechnung ohne die aufzunehmenden Schülerzahlen gemacht. Mit der Einführung der reformierten Oberstufe zum Schuljahr 1974/75 wurde das Kurssystem eingerichtet. Man benötigte durch die Kursbildung mehr Räume als bei der früheren Klassenstruktur. Dazu kam ein jährlicher Zuwachs von Übergängern aus Haupt- und Realschulen in die Kurse der Jahrgangsstufe 11 (durchschnittlich 35 Schüler pro Jahr). Auch das erforderte neue Räume. So mußten Klassen in der Bachschule und später in der Otto-Schott-Realschule genutzt werden, um die schwierige Lage zu beheben.

Im Laufe der Zeit mußten auch im Altbau einige bauliche Veränderungen vorgenommen werden, um einerseits neue Klassen- bzw. Kursräume zu schaffen, andererseits aber auch, um den, an das Gymnasium gestellten neuen Aufgaben gerecht zu werden (Einführung neuer Fächer, mehr Fachraum für Naturwissenschaften - Physik ab Klasse 5, mehr Oberstufenkursen in Bio, Chemie, Physik). So wurde der alte Gymnastikraum, das alte Lehrerzimmer und die Aula zu Klassenräumen umfunktioniert. Andere Klassenräume gingen durch Umbau zu Fachräumen für den allgemeinen Unterrichtsbetrieb verloren. So entstanden im Laufe der Zeit Räume für Informatik, Naturwissenschaften, Technik und Musik. Ein Klassenraum mußte für Verwaltung und Elternsprechzimmer umgebaut werden. Damit war eine Vergrößerung des Lehrerzimmers möglich, eine Notwendigkeit, die durch das Anwachsen des Kollegiums unbedingt erforderlich geworden war.

Und die heutige Situation, anno 1992? In den letzten beiden Jahren wuchs die Anzahl der Übergänger zum Gymnasium kontinuierlich, trotz Errichtung zweier Gesamtschulen in Witten: 36% aller Grundschüler gehen nach der 4. Klasse zum Gymnasium. Das hat zur Folge, daß in den letzten Jahren am AMG fünf Eingangsklassen gebildet werden mußten. Dazu blieb die Zahl der Real- und Hauptschulabsolventen, die in die Jahrgangsstufe 11 überwechselten, nahezu konstant. Inzwischen sind vier Jahrgangsstufen fünfzügig, zwei Jahrgangsstufen vierzügig. Rechnet man die Stammgruppen, die nach den Richtzahlen in der gymnasialen Oberstufe zu bilden sind, in den Jahrgangsstufen 11 bis 13 dazu, so ist die Fünfzügigkeit bereits überschritten. War bei einer vollen Vierzügigkeit der Raumbedarf kaum gedeckt, so ergeben sich jetzt erneut erhebliche Defizite, zumal aufgrund geänderter Schulbaurichtlinien neue Räume (wie Medienräume, Schüleraufenthaltsräume für die Oberstufe, mehr Fachräume) zu einem ordentlichen Schul betrieb erforderlich sind. Rechnet man die vier Klassenräume in der Otto-Schott-Realschule und die zwei Pavillonklassen, die in absehbarer Zukunft nicht mehr benutzbar sein werden, ab, so ergibt sich ein Fehlbedarf von ungefähr 20 Räumen. Diese Zahl, die auch von Schulaufsicht und Verwaltung anerkannt wird, fordert erneut Überlegungen, dem Mangel abzuhelfen.

Wie soll es weitergehen, was kann man tun? Ein Erweiterungsbau kommt nicht in Frage, da ohne größeren Verlust von Schulhoffläche die erforderliche Baukapazität nicht erreicht werden kann. Außerdem wären die finanziellen Belastungen z.Zt. für den Stadtetat zu hoch - das Land würde keine Mittel zur Finanzierung bereitstellen. Erst recht ist die Errichtung eines neuen vierten Gymnasiums (diesmal in Annen?) utopisch. Wieder einmal sind Rat und Verwaltung gefordert, Abhilfe zu schaffen. Die Einrichtung einer Dependance in einem freiwerdenden Schulgebäude wird wohl unerläßlich sein. Eine Verringerung der Übergangszahlen findet sicherlich nicht statt. Folgt man den Prognosen des Entwurfs des Schulentwicklungsplanes (vom 15.10.91, Seite A42), so steigt die Zahl der Gymnasialschüler bis 1999 stetig an (AMG: 1990: 1078 Schüler; Prognose für 1999: 1383 Schüler). Handeln tut Not! Siehe Anfang!

Erlauben Sie dem Verfasser noch eine Bemerkung zum Schluß. Seit 30 Jahren bin ich an Wittener Gymnasien tätig, davon 25 Jahre am AMG, und habe die o.a. Entwicklungen selbst erlebt. Wir alle - Schüler, Eltern und Lehrer - haben manche Einschränkungen und Unbequemlichkeiten während der 25 Jahre AMG in Kauf genommen. Aber es ging doch immer wieder weiter und dem Auftrag des Gymnasiums wurden wir gerecht. So hoffe ich, wird es auch in Zukunft werden. Es wird sicherlich eine, wenn auch nicht unbedingt optimale Lösung gefunden werden. Wir haben uns ja an das Faktum Schulraumnot gewöhnt. Ich jedenfalls bin Optimist.

Josef Werr